Crashkurs
ins Krankenhaus

Inline-Skating: Klinikum Detmold führt Unfallstatistik 

Von Thorsten Waterkamp

Plötzlich kommt der Asphalt näher. Sollte er nicht, tut er aber. Vier der acht Rollen zeigen Richtung Gartenzaun. Aaaaaaaah. Aua. 16 Stunden und eine schmerzhafte Nacht später ernte ich in der Notaufnahme des Klinikums Detmold mitleidiges Kopfschütteln, als ich die Frage nach dem Grund für die temporäre Bewegungsunfähigkeit des rechten Knies beantworte. „Inline-Skating.“ Das haben die Detmolder Ärzte und Pfleger inzwischen so oft gehört, dass sie seit 14 Monaten eine eigene Statistik über Inline-Unfälle führen – Fall-Studien, die es in sich haben.
Fünf Unterarmbrüche – davon wurde einer operativ behandelt – sind die Bilanz des vergangenen
Wochenendes. Eine Woche zuvor gab es gleich vier schwere Unfälle, die die gestürzten Freunde der acht Rollen umsatteln ließen. Auf vier Rollen eines Krankenbettes, das sie in den OP fuhr. Inline-Sturz? Ist doch kein Beinbruch? Nicht immer. Aber . . .

Wie wäre es beispielsweise mit einem „Unterschenkelspiralbruch mit der Verletzung des Sprunggelenks“, den der Detmolder Unfallchirurg Dr. Steffen Thaiß exemplarisch für die Schwere der Verletzungen der jüngsten Vergangenheit nennt?

Knapp zehn Millionen Deutsche rollen durch Fußgängerzonen, über Radwege, Bürgersteige und Promenaden. Die Fitnessbewegung hat einen Haken – gerade einmal jeder vierte Skater kann einer Studie der Universität Münster zufolge sicher bremsen. Sieben Prozent der 1036 Befragten haben gar zugegeben, dass sie überhaupt keine Bremstechnik beherrschen. Zumindest keine reguläre: Zum Anhalten dienen ersatzweise Fußgänger, Verkehrsschilder oder Laternenpfähle, und manchmal steht so ein festes Hindernis einfach nur im Weg. Ab ins Krankenhaus.

Allerdings sind es nicht nur die blutigen Anfänger – was mitunter wörtlich zu verstehen ist –, die Dr. Steffen Thaiß eine Menge Arbeit verschaffen. Vor allem Kids nach Stunts, aber auch erfahrene Fitnessskater und Anfänger: Erwischen kann es jeden. Wobei der Sportmediziner aus Detmold festgestellt hat: „Die Schwere der Verletzungen ist abhängig vom Alter.“

Es sind nicht die jungen, es sind die älteren Skater ab etwa 25 Jahren, bei denen sich kompliziertere Verletzungen häufen. „Da denken die Eltern wohl: ,Was meine Kinder können, kann ich auch’“, glaubt Thaiß. In der Quantität der behandlungsbedürftigen Malaisen dominiert dagegen der Nachwuchs: Im Schnitt sind die Kunden der Unfallaufnahme im Klinikum 14 Jahre alt.

Seit dem 1. April des vergangenen Jahres führt das Krankenhaus eine eigene Statistik über Inline-Verletzungen, die bis zum 30. Juni 1999 184 Einträge verzeichnete. 91 Knochenbrüche waren darunter, allein 59 knackte das Skelett im Unterarm und in der Hand. 34 unfreiwillige Tiefflüge endeten gar mit einem durchschnittlich einwöchigen Krankenhausaufenthalt.

Ein teurer Spaß für Krankenkassen. Laut der münsterischen Uni-Studie belaufen sich die Kosten für Behandlung, Medikamente und Pflege bundesweit zurzeit auf 500 Millionen Mark pro Jahr. 

Was tun, fragt sich der fall-unwillige Skater? Schließlich macht die Bewegung auf acht Rollen Spaß, und dem Herz-Kreislaufsystem ist sie durchaus zuträglich. Ganz wichtig: Protektoren tragen, auch wenn die kein Freifahrtschein sind. Mindestens ebenso interessant: Kurse. Sportgeschäfte informieren über Ansprechpartner vor Ort oder bieten selbst Anfängerschulungen an. Inzwischen verteilt mit K 2 sogar ein Hersteller beim Kauf neuer Skates einen Gutschein für einen
Crash-Kursus – wobei Crash natürlich nicht wörtlich zu nehmen ist . . . 

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