"Da ist was abgelaufen in der Mannschaft."
Janet Grunow

HSG trotzt
Handball
brutal

28:18 gegen überforderte Germania List

Von Thorsten Waterkamp

900 Zuschauer an der Ulmenallee – eine Bombenstimmung. 28:18 gegen List – ein Wunschergebnis. Die HSG am 3. Oktober 2000 – eine Einheit. Der Höhenflug des Erstligisten Blomberg-Lippe hält an und hat das Team auf Rang vier der Tabelle geführt – ein Traumstart, den selbst Harald Wallbaum bezweifelt hatte.

Deshalb leistete der Manager während der Pressekonferenz öffentlich Abbitte beim Trainer Lutz Müller. Der hatte gegenüber der Lippischen Landes-Zeitung als „Minimalziel 4:4 Punkte“ genannt. Die LZ schrieb’s am 14. September, und dem Manager blieb, bekannte er, bei der Lektüre „erst mal das Frühstücksbrötchen im Hals stecken“. Die Nachfrage bei Müller, die Aussage sei ja in der Zeitung wohl nicht korrekt wiedergegeben worden, habe der Coach erstaunt beantwortet: „Warum...?“

Das allgemeine Gelächter nach der Abbitte (Wallbaum grinsend: „Ab heute äußere ich mich nicht mehr über irgendwelche Dinge, von denen ich keine Ahnung habe.“) gibt die Atmosphäre bei der Überraschungsmannschaft der Liga treffend wieder. Es herrscht entspannte Einigkeit im Team, in der Führung und beim Anhang. Erfolg verbindet.

Gegen List bot die HSG erneut eine Demonstration ihrer Geschlossenheit, wie man sie lange nicht mehr gesehen hat. Janet Grunow, seit 1995 dabei: „Da ist was abgelaufen innerhalb der Mannschaft. Ich habe das in dieser Art und Weise in den letzten zwei Jahren nicht mehr erlebt.“

Im Duell der als Abstiegskandidaten gestarteten Klubs bestätigte nur das Team aus Hannover diesen Ruf – und das in einem Maße, dass man der Germania jegliche Bundesligatauglichkeit absprechen muss. Mit List präsentierte sich gestern die schwächste Mannschaft, die in Erstligazeiten jemals an der Ulmenallee zu Gast gewesen ist. Lediglich die Ex-Blombergerin Lena Sawczenkowa zeigte Bundesliganiveau, die übrigen Gästeakteurinnen waren schlicht überfordert.

Nach fünf torlosen Auftaktminuten sorgte die HSG mit vier Treffern binnen 92 Sekunden für die 4:0-Vorgabe, auf der die Müller-Schützlinge konsequent aufbauten. Bereits zur Pause betrug die Führung satte neun Tore, an dem auch der 15-minütige Einsatz von Lists Spielertrainerin Cordula David zu Beginn der Partie nichts änderte. Die 143-fache Ex-Nationalspielerin zog sich nach der ersten Viertelstunde wieder auf die Bank zurück.

Im zweiten Abschnitt blieb es dabei: Der völlig indisponierte Gast (Co-Trainer Jens Zupke: „Wir sind in der Lernphase.“) brillierte nur durch ebenso hilflose wie für die Blombergerinnen schmerzhafte Brutalität. Am Ende war der rechte Augapfel von Kreisläuferin Grunow blutunterlaufen, und Nadine Krause blieb nach einem Kniestoß in die Leistengegend auf der Bank. Sie konnte nach der Attacke das Feld nicht selbstständig verlassen.

Lutz Müller, der in der Schlussphase die Youngsters Loyek, Haase sowie Stohlmann brachte und den beiden letztgenannten zur Erstligapremiere verhalf, hielt sich in der Beurteilung der Lister Härte zurück. Nur so viel: „Wenn das mit Nadine was Ernstes ist, dann wäre das ein zu hoher Preis für den Sieg.“ Auch Wallbaum versteckte seine Wut zwischen den Zeilen: „Das war heute eine tolle Sache. Aber es hätte noch viel schöner sein können – nur das lag nicht an uns.“ Lists Co-Trainer Jens Zupke verweigerte zu den Vorwürfen auf Nachfrage jeden Kommentar.


 
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